Die St.-Georgs-Kirche in Nördlingen mit dem Turm „Daniel“ und die Nördlinger Stadtmauer, Teile der Ruine Niederhaus bei Hürnheim, die Burgkapelle der Alten Bürg bei Utzmemmingen, der Torbogen des Klosters Mönchsdeggingen, der Mönchschor des Klosters Christgarten bei Ederheim: All das und noch viel mehr wurde aus Suevit erbaut. Unterwegs im UNESCO Global Geopark Ries begegnet man dem typischen grauen Gestein immer wieder. Bei näherem Hinsehen wirkt er, als wäre er aus unterschiedlichen Teilen „zusammengebacken“ worden – und dieser Eindruck ist gar nicht so falsch! Die Geschichte des Suevits reicht rund 15 Millionen Jahre zurück. Ungefähr dort, wo heute die Gemeinde Deiningen liegt, traf damals ein riesiger Asteroid auf die Erde, der letztendlich einen Krater mit ca. 25 Kilometern Durchmesserschuf: eine kosmische Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes. Bei dem Einschlag wurden die Gesteine in die Luft geschleudert und sind zum Teil geschmolzen. Alles, was in diesen Augenblicken durch die Luft flog, kam dann im Suevit zusammen. Während der Rieskrater zunächst noch als Vulkankrater gedeutet wurde, brachte die Untersuchung des Suevits durch die NASA im Jahr 1960 die Wahrheit über seine Entstehung ans Licht. Eine wichtige Rolle spielte dabei der amerikanische Geologe Eugene Shoemaker, der den Rieskrater auch als Ort für Astronautentrainings ins Spiel brachte. Die Mannschaften für die Missionen 14 und 17 des berühmten Apollo-Programms der NASA waren die ersten, die sich vor Ort mit Impaktgesteinen, wie sie auch auf dem Mond zu finden sind, vertraut machten.
Er trägt Schwaben im Namen und wurde im Ries zum ersten Mal beschrieben: Der Suevit, Gestein des Jahres 2024, erzählt Spannendes über die Entstehung des Rieskraters und seine Forschungsgeschichte.
Geologie als Grundlage
Mit Lehrpfaden, Infotafeln an den Geotopen, Wander- und Radwegen, Infozentren und einemumfangreichen Führungsangebot eröffnet der UNESCO Global Geopark Ries allen Einblicke in die Erdgeschichte. Ziel ist es, die Geologie für alle erlebbar zu machen. Dabei geht es nicht nur um Gesteine. Der UNESCO Global Geopark Riessetzt sich auch für Nachhaltigkeit, Naturschutz und Bildung ein. Schließlich hängt alles zusammen: Ohne die Geologie im Ries gäbe es beispielsweise die Magerrasen mit ihren seltenen Pflanzen nicht.
Geologe Fabian Weiß im Interview
Was ist besonders am Suevit?
Fabian Weiß: Das Gestein ist durcheinen Asteroideneinschlag entstanden. Der Name leitet sich vom lateinischen Wort „suevia“ ab, das Schwabenbedeutet: der Schwabenstein. Das ist es, was den Suevit einzigartig macht. Er ist sehr eng mit dem Rieskraterverknüpft. Der Suevit kommt weltweit vor, er wurde aber im Ries das erste Mal als eigenes Gestein identifiziert, das erste Mal beschrieben. Hier liegen die größten bisher bekannten Suevit-Massen weltweit.
Welche Rolle spielte das Gestein in der Forschungsgeschichte des Rieskraters?
Fabian Weiß: Man hat den Suevit zuerst als vulkanisches Gestein gedeutet, weil er sehr ähnliche Eigenschaften wie der vulkanische Tuff hat. Aber das konnte man aufgrund der Mineralzusammensetzung widerlegen. Man hat Diamanten darin gefunden, man hat Stichovit und Coesit darin gefunden, das sind alles Hochdruckmodifikationen, die nur unter bestimmten Bedingungenentstehen können: bei einem Asteroideneinschlag.
Woran erkennt man Suevit?
Fabian Weiß: Grundsätzlich ist es meistens eine gräulich-grüne Masse mit verschiedenen Gesteinskomponenten. Wissenschaftlich ausgedrückt ist es eine Breccie mit mehr oderweniger hohem Matrixanteil.
Matrix? Das klingt spannend!
Fabian Weiß: Die Matrix ist die Grundkomponente des Gesteins, die alle anderen Partikel miteinanderverkittet. Man kann sie sich wie eine Art Asche vorstellen, die sich verfestigt hat. Darin haben wir zum Beispiel die „Flädle“, das sind die Glasanteile, wir haben kristalline Brocken und ein paar Brocken von Kalk. Alles, was das um gibt, das Feinkörnige, ist die Matrix.
Wo kann man sich das anschauen?
Fabian Weiß: Wir haben mehrere Aufschlüsse, die gut zugänglich sind. Einer ist der ehemalige Steinbruch Altenbürg am Schäferweg, aus dem vermutlich das Baumaterial für die St.-Georgs-Kirche in Nördlingen stammte. Der „rote“ Suevit ist zu finden im ehemaligen Suevit-Steinbruch Polsingen.2023 wurde das Geotop Amerdingen eröffnet. Dort gibt es Tafeln zur Entstehung des Rieskraters, zum Suevit und auch zum Naturschutz. Ich würde eine Führung mit den Geopark Ries Führerinnen und Führern empfehlen, denn dann erfährt man die ganze Entstehungsgeschichte des Gesteins.